Leben am Anschlag

«Wie schaffst du das bloss mit fünf Kindern, ich bin schon mit zweien am Anschlag?»

Diese Frage wird mir so häufig gestellt, dass ich mir bereits überlegt habe, meine Antwort auf Papier auszudrucken, damit ich sie bei passender Gelegenheit einfach zücken und abgeben kann.

Leben am Anschlag scheint gerade nicht so IN zu sein. Gefragt sind eher Adverbien wie «gechillt» und «relaxed».

Ich gebe es offen zu:
Es ist anstrengend mit fünf Kindern.

Genauso auch mit zwei, drei oder mit einem Kind. Mit Kinder kommt man an den Anschlag – mit fünf Kinder vielleicht etwas öfter als mit zweien.

Aber irgendwie empfinde ich das auch als eine Art von Krafttraining. In dem man den Muskel an den Anschlag bringt, macht er die Anpassung und wird stärker.

Wenn ich anfänglich im Selbstmitleid gebadet habe, weil ich leider keine Zeit hatte, diese oder jene Netflix-Serie zu schauen, lässt mich das heute (meistens) völlig kalt. Ich denke nicht einmal mehr ans Fernsehschauen. Mein Denken wurde einfach angepasst. Eine unglaubliche Stärke, die jeder Mensch besitzt. Wir sind anpassungsfähig.

Die einen brauchen etwas mehr Zeit als andere, aber anpassen können wir uns alle.

Wenn du zwei Kinder lockerer handeln möchtest, dann lege dir ein drittes zu. Ab sofort wirst du mit drei Kindern am Anschlag sein, zwei Kinder wirst du aber sowas von easy finden.

Ich glaube, der Anschlag gehört zum Elternsein dazu, wie der Sand zur Wüste oder das Salz zum Meer. Die Frage ist vielmehr, was wir mit dem Anschlag machen. Lassen wir uns von Umständen, Nachbarn, Schule und Freunden unter Druck bringen? Vergleichen wir uns mit Leuten, die sich auf Social Media Platformen perfekt präsentieren? Oder sind wir fest verankert bei uns selber?

Wenn ich überhaupt einen Tipp zum Elternsein habe, dann diesen:

Definiere, was in eurer Familie WIRKLICH zählt.

Es wird dir helfen, in Druck-Situationen den Boden unter den Füssen zu behalten.

Wir haben mehr als ein Kind, deren Stärken momentan nicht unbedingt in schulischen Leistungen liegen. Und neulich an einem Elterngespräch kam so ein ekliges, bedrückendes Gefühl von Druck über mich, dem ich dann zu Hause mit Streit und Geschrei während den Hausaufgaben Platz machte.

Ich hielt K1 seine voraussichtlichen Zukunftspläne vor Augen, wenn er nicht endlich seinen Finger aus dem A. nehme und überhaupt sei das hier ein Larifari-Betrieb, den ich keine Sekunde länger dulden werde. Um dem ganzen Geschrei noch etwas mehr Ausdruck zu verleihen, schlug ich mit der flachen Hand auf den Tisch, dass es laut klöpfte. So musste es den «faulen Säcken» (ich weiss, ich denke manchmal schrecklich über unsere Kinder) doch helfen aufzuwachen.

K3 , K4 und K5 hatten sich schon längstens aus dem Staub gemacht, denn sie wussten, wenn bei Mutter die Nähte platzen, dann verschwindet man besser.

Und wenn ich schreibe, dass ich diesem Druck «Platz machte», dann meine ich das genau so. Mein Druck-Gefühl war ja danach nicht weg. Im Gegenteil.

Ich hatte ihm in unserem Haus Platz gemacht und es konnte sich ausbreiten.

Dieses blöde Druckgefühl brachte mich völlig an den Anschlag und noch weiter.

Ich hatte meine Werte, die mir eigentlich so wichtig sind, einfach vergessen. Ich gab meinem Anschlag Platz und es endete im Desaster. Irgendwann waren der Nachmittag und der Abend (zum Glück) vorbei und ich lag völlig erschöpft in meinem Bett.
Ich konnte nicht mehr viel klare Gedanken fassen. Aber eines wusste ich:

Das will ich nicht! Nicht bei uns zu Hause.

Mein Geschrei, das ausser Unruhe und Unfrieden überhaupt nichts brachte, geschweige dann ein Kind in seinen schulischen Leistungen förderte, würde ich ein nächstes Mal lieber unterdrücken, nahm ich mir vor.

Den Tag habe ich als «Trainings-Tag» abgehakt, an dem ich quasi meinen «Anschlags-Muskel» trainiert habe.

Der Anschlag gehört zwar zu meinem Leben, er darf aber nicht meine Werte auf den Kopf stellen.

Er darf sich nicht einfach ausbreiten und alles beschlagnahmen. Schon gar nicht die Stimmung.

Wenn ich gefragt werde, wie ich das mit fünf Kindern schaffe, dann lautet meine Antwort folgendermassen:

Ich verhalte mich wie in einem Trainings-Camp. Ich darf an den Anschlag kommen, muss aber wissen, wie ich damit umgehe. Am-Anschlag-sein, ist kein Versagen, sondern Teil des Trainings. Das entlastet mich und hilft mir, den Kopf oben zu behalten.
Ob mir das gelingt? Nicht immer, aber immer öfters.

Wer mag, darf Lea im Kommentar gerne weitere Fragen stellen, die sie bei Gelegenheit hier auf dem Blog beantworten wird.

 

 

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