Ein Schwimmbad nur für Mami

Es gibt Dinge, die werden plötzlich brutal anders. Besonders Mütter erfahren das ganz krass. Daher verändern sie sich auch. Gezwungenermassen.

Ich bin also nicht mehr die Mutter, die ich mal war. Mit den Kinder bin ich gewachsen und gereift. Über mich hinaus gewachsen in Situationen, die ich nicht unbedingt gebraucht hatte. Dazu gehörten viel schlimmere Dinge als Scharlach oder die Fahrt mit dem Krankenwagen in die Klinik. Über diese Erlebnisse schreiben liebende Mütter aber nicht, sondern zum Beispiel darüber, was mächtig anders geworden ist.

Mit den Kindern bin ich gereift und zu dem Menschen geworden, der ich heute bin.

Man wächst mit den Kindern und entwickelt sich weiter.

Man kann nicht ewig die Windeln wechselnde Kleinkindermutter mit Babysprache bleiben, die man zuerst ist. Man nimmt automatisch zu an Wissen, Weisheit, Hüft- und Bauchspeck, und sammelt einen riesigen Schatz an wertvollen Erfahrungen, die man dann besser nicht ungefragt an die nächste Generation abgibt. Die will ihre eigenen Erfahrungen machen.

Dinge werden brutal anders.

Mindestens alle fünf Jahre findet Mama eine neue familiäre Situation vor. Ich bin jetzt im Stadium “Ruhe vor dem Sturm” – denn ich kriege in ein paar Monaten ein Enkelkind.

Innig geniesse ich die Zeit, die ich mir jetzt, wenn ich nicht auf Arbeit bin und Urlaub habe, für mich alleine reservieren kann – ohne Familie, Ehemann, Kinder, Mutter, Freunde, Nachbarn, Enkel – einfach Zeit für mich. Es ist brutal neu, endlich mal etwas freie Zeit zu haben, die man ein wenig für sich selbst einteilen kann, die einem keiner verplanen, füllen oder rauben darf. Es tut brutal gut, diese Stunden zu schützen, sich abzugrenzen und keinem zu erlauben, sie einem wieder wegzunehmen. Und wenn es nur magere dreissig Minuten sind. Man braucht sie nämlich jetzt, die Ruhe, das Abschalten und Entspannen. Damit man dann fit fürs Hüten des neuen Familienmitgliedes sein wird.

Und es ist wahnsinnig cool, jetzt ein Schwimmbad für sich zu haben.

Hingehen zu können, wenn die Schulferien vorbei sind und keine kreischenden Kinder herumplanschen. Vormittags um zehn Uhr ein altes, historisches Schwimmbad ohne Schnickschnack aufsuchen, und es einfach für sich alleine beanspruchen zu können. Weil sonst keiner da ist oder höchstens ein paar Rentner. Gelassen einen Kilometer schwimmen, ohne schon wieder ans Mittagessen denken zu müssen.

Es ist der Hammer, dass man nur den Badeanzug und ein Handtuch und etwas Sonnenmilch mitnehmen muss und sonst nichts. NICHTS. Keine Windeln, kein Insektenspray, kein Pflaster, keine Schwimmhilfen, keine Schwimmflossen und keine Taucherbrillen. Keine wasserdichten und tretfesten Dosen für Brillen und Hörgeräte. Keine Berge von Badetüchern, keine Sonnenhüte, keine Sonnenbrillen und Wasserspielsachen. Es braucht keine Verpflegung und keine Trinkflaschen mehr, damit dann die Kinder am Kiosk nicht das Haushaltbudget sabotieren, wenn es nach Pommes riecht und es höchstens für ein Eis reicht.

Es ist brutal herrlich.

Jetzt, wo man endlich richtig schwimmen gelernt hat und weiss, wie man das Wasser elegant durchpflügen kann. Man muss niemanden ausweichen, der einen fast zum Ertrinken bringt, weil er Wellen wie ein Walross schlägt.

Es ist spitze, dass das Bad täglich geöffnet ist, sogar bei schlechtem Wetter vormittags, zwei Stunden. Dann schwimmt es sich besonders gut, in 21 Grad oder halt auch weniger, und das ohne Publikum. Super.

Es ist extrem schön, sich später hinsetzen oder hinlegen zu können, wo man will, weil einfach alles frei und unbelegt ist.

Und es ist köstlich, ausser dem Plätschern und Rauschen des Wassers nichts zu hören. Nichts.

Ein Schwimmbad, ganz allein für mich.

Mit einem gut aussehenden Bademeister, der sehr zuvorkommend ist. Und das Bad auch gerne bei schlechten Wetter für mich eine halbe Stunde länger geöffnet hält. Da geh ich wieder hin.

Was für ein Mamaleben! Ich hab es mir in fünfundzwanzig Jahren verdient!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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