Alles unter einen Hut kriegen? Ich schaff das nicht.

Dieser Beitrag ist Teil einer Serie über «Vereinbarkeit Mamasein und Berufsleben». Evelyne Gutknecht hat die optimalen Voraussetzungen, Beruf und Familie zu kombinieren. Trotzdem findet sie: Alles unter einen Hut kriegen? Schaffe ich nicht!

Den ganzen Tag mit den Kindern allein Zuhause. Die ganze Woche hindurch?

Diese Vorstellung machte mir schon Angst, bevor ich selber überhaupt Kinder hatte. Als ich dann mit dem ersten Kind schwanger wurde, war für meinen Mann und mich klar, dass ich, wenn möglich, meinen Job behalten würde. Glücklicherweise begrüsste auch mein Chef meinen Vorschlag, nach einem sechsmonatigen Mutterschaftsurlaub wieder mit einem Pensum von vierzig Prozent einzusteigen.

Nun musste noch die Frage der Kinderbetreuung geklärt werden. Und auch hier lief es wie geschmiert. Mein Mann konnte sein Pensum von neunzig Prozent in vier Arbeitstage reinquetschen. So bleibt er an einem Tag die Woche zuhause. Den zweiten Tag decken unsere Eltern ab. Beide wohnen sehr nah. Beide gehen in ihrer Grosseltern-Rolle komplett auf. Einen Grosseltern-Tag alle zwei Wochen? Keine Frage. Eine echte Win-win-Situation, die wir auch nach der Geburt von Kind Nummer zwei beibehielten.

«Und, gehst du nach wie vor gerne arbeiten?»

Diese Frage wird mir immer mal wieder von jemandem gestellt. Und die Antwort ist simpel: JA. Aber.

Zuerst einmal zum JA:
Ja, ich liebe meinen Job. Ja, ich will arbeiten. Und ich muss eingestehen – nicht nur der Job an sich hat seinen Reiz. Ich liebe ganz einfach auch den Fakt, dass ich an zwei Tagen die Woche raus komme aus dem alltäglichen Chaos das zwei Kleinkinder so mit sich bringen.

Im Ernst: ich liebe meine Kinder. Keine Frage. Aber sie können mich manchmal echt in den Wahnsinn treiben.

Daher ist schon nur die dreissigminütige Autofahrt zu meinem Arbeitsort – trotz manchmal nervigem Verkehr – Wellness für die gestresste Mama-Seele. Dreissig Minuten lang das hören, was ich will. Globi-freie-Zone.
Dann natürlich das Mittagessen – jedes Mal mein Highlight. Viel Gemüse auf den Teller, ohne Gemotze: «Das hani aber nöd gärn!» Und in Ruhe essen. Oder dabei ein echtes Gespräch führen, ganz ohne unterbrochen zu werden. Nach einem Arbeitstag komme ich zwar müde, aber meist auch ausgeglichen nach Hause. Ich freue mich wieder auf meine Kinder und ich habe wieder Nerven aus Stahl. Jedenfalls für den Moment.

Evelyne ist Mama und Radiomoderatorin – und in beiden ‘Jobs’ glücklich, ABER…

Ja. Ich gehe wirklich gerne arbeiten.
ABER

Immer wieder habe ich das Gefühl, Familie und Job nicht so gut unter einen Hut zu bringen, wie ich das gerne hätte. Es fühlt sich zweitweise an wie ein zweihundert Prozent Pensum, das unmöglich zu schaffen ist. Jedenfalls nicht so zu schaffen, dass es befriedigend für mich wäre.

Zum Beispiel das endlose Projekt «Haushalt».
Ich habe da gewisse Ansprüche an mich, wie mein Haushalt aussehen sollte. Unordnung und Dreck kann ich nicht leiden. Nicht in meinen vier Wänden. Klar, die Illusion nach einem perfekt geführten Haushalt habe ich bereits kurz nach der Geburt von Sohn Nummer 1 aufgegeben.

Aber einmal die Woche die komplette Wohnung gründlich reinigen sollte doch eigentlich möglich sein?

Nein. Ich schaffe es nicht. Die Woche ist viel zu schnell wieder rum. Ob es anders wäre, wenn ich nicht arbeiten würde? Keine Ahnung. Jedenfalls bin ich an zwei Tagen ausser Haus. Und in dieser Zeit kommen leider keine Heinzelmännchen vorbei, die aufräumen, saubermachen und die Wäsche waschen. Und das Geld für eine Putzfrau auszugeben – das lassen weder mein Stolz, noch mein Mann zu.

Der Haushalt bleibt also liegen. Die Wäsche ist zwar gewaschen, aber sie will noch zusammengelegt und weggeräumt werden. Der Kühlschrank ist nach wie vor leer. Die Betten sind abends nicht gemacht und die Spielsachen liegen noch genau da, wo Söhnchen sie morgens hat liegen lassen – mitten im Flur.

Das stresst mich.

Gleichzeitig möchte ich auch bei der Arbeit mein Bestes geben und mich voll und ganz auf den Job konzentrieren. Doch ganz von zuhause abzuschalten gelingt mir nicht immer. Des Öfteren schaltet sich meine mütterliche Fürsorge ganz plötzlich ein und mir kommen Gedanken wie: «Hätte ich für Kind Nummer 1 eine wärmere Jacke einpacken müssen?» «Hoffentlich hustet Kind Nummer 2 nicht mehr so stark!» «Weiss meine Mutter überhaupt, wie sie den Kindersitz im Auto montieren muss?»

«Hätte ich für Kind Nummer 1 eine wärmere Jacke einpacken müssen?» – Gedanken, auf die Evelyne im Radiostudio gerne verzichten kann.

Erwische ich mich bei diesen gluggen-haften Gedanken, nerve ich mich über mich selbst. Schliesslich bin ich jetzt bei der Arbeit. Ich will nicht dauernd mit dem Kopf bei den Kindern sein. Ob es den Vätern manchmal auch so geht? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Männer da besser abschalten können. Und dafür beneide ich sie ein wenig.

Niederprozentig zu arbeiten fordert mich heraus. So sehr es ein Privileg ist, so sehr bringt es auch einen Verzicht mit sich.

Verzicht auf Verantwortung im Job. Verzicht auf Karriere.

Denn: Ich arbeite nicht nur, weil es mir Spass macht und weil es ein netter Ausgleich zum Leben mit Kindern ist. Auch der finanzielle Zustupf ist nicht Grund genug. Ich habe Ambitionen. Ich möchte mich in meinem Job weiterentwickeln, mich weiterbilden. Bei einem so niedrigen Pensum so gut wie unmöglich. Mehr als vierzig Prozent möchte ich aber auch nicht arbeiten. Nicht solange die Kinder noch so klein sind.

Dass ich im Job nicht wirklich weiterkomme und am selben Ort stehe, wie vor zehn Jahren, frustriert mich zweitweise.

Entsprechend bleibt das Gefühl, weder bei der Arbeit, noch bei meinen Aufgaben Zuhause eine zufriedenstellende Leistung zu bringen. Vielleicht ist zwar mein Umfeld zufrieden mit mir und meiner Leistung. ICH aber nicht. Und ich frage mich: Ist es überhaupt möglich für eine Mutter, Job und Familie zufriedenstellend unter einen Hut zu bringen? Vielleicht sogar im Job weiterzukommen – Karriere zu machen? Darf man überhaupt solche Wünsche haben? Als Mutter?

Für den Moment muss ich wohl mit dieser Spannung leben. Entweder lerne ich mit den Jahren, die Ansprüche an mich und meinen Haushalt zu senken. Oder…? Den Job an den Nagel hängen? No way! Nicht solange ich noch Freude daran habe und es für mich nicht nur mit Stress verbunden ist, sondern auch den erhofften Ausgleich bringt. Und das mit der Karriere: Es gibt ein Leben nach der Kleinkindphase.

Und wenn es soweit ist, bin ich startklar.

Weitere Texte der Serie:

 

Janine Oesch: Sie ist, was keine sein will: Mutter und Hausfrau

– Rahel Iten: Mama auf Jobsuche. Die unendliche Geschichte.

– Marianne Plüss: Kinder aus dem Haus. Ich arbeite wieder.

– Simone Siddiqui: Wie lassen sich Familie und Beruf vereinbaren? Eine Jahresbilanz.

 

 

Bild: Andrew Neel Unsplash

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