Opa hat den Gru

«Die Kinder werden gross und die Väter werden wieder wie Kinder.»

Sagte die Nachbarin zu mir, als fünf beleibte Herren um die fünfzig auf Mofas lustig an uns vorbeiknatterten. Auf Mofas, die unter ihrem Gewicht fast zusammenbrachen. Die Enkelin guckte den Männern verdutzt hinterher und frage uns:

«Haben die denn kein Auto?»

Als Teenager waren die Männer Mofa gefahren. Damals konnte sich ein Lehrling noch keinen Wagen leisten und den Eltern wäre es auch nie in den Sinn gekommen, den Jungs, die noch nicht mal richtigen Flaum am Kinn hatten, so was zu finanzieren. Also fuhr man Mofa.

Und jetzt schwelgten sie wieder neu im Freiheitsgefühl vergangener Jahre.

Nun, wo man dauernd vergisst, was man gerade gesagt hat, aber sich noch perfekt an das erinnert, was früher war.

Mit der fröhlichen Mofatour gaben sie also ihren nostalgischen Gefühlen Raum, die die Midlife-Krise eben so mit sich bringt. Eigentlich ganz lustig, auch wenn es ein wenig seltsam aussieht. So was tut ja keinem weh, ausser vielleicht dem Hintern.

Andere Papas hingegen träumen nicht vom Mofa, sondern vom grossen Motorrad.

Sie träumen vom Duft der weiten Welt, die im Alltag am Dorfrand aufhört.

Wie Martin zum Beispiel. Jetzt, wo die Kinder aus dem Haus sind, wäre das doch super, meinte er zu seiner Eva. Man könnte nach Venedig, oder in die Camargue, nach Nizza, oder in die Normandie.

Aber meine Freundin, die Eva, die wollte nicht. Sie meinte bloss, Martin sei ja noch gar nie Motorrad gefahren. Er sei ausserdem v i e l  zu dick und v i e l  zu unbeweglich, und schon v i e l zu alt. Das könnte beim Kurvenfahren echt gefährlich sein und zudem würde sie niemals hinten aufsitzen. Erstens habe sie Schiss und zweitens brauche man sie noch fürs Hüten der Enkel. Und drittens wolle sie es nach den stressigen Jahren mit Campingurlaub endlich bequem haben. Auch sei das v i e l zu teuer und im Winter könne man eh nicht fahren.

Eva hatte auch keine Lust, ihre von den Hormonen angefüllte Figur in einen heissen, v i e l zu engen Lederanzug zu quetschen um dann wie ein schwarzer Rollmops literweise Wasser zu schwitzen.

Weil aber der Martin dauernd davon redete, trickste sie ihn aus. Sie jammerte über das Dach, das nicht isoliert war, über die Heizkosten und er rief fürsorglich die Handwerker. Dann hauchte auch noch der überalterte Wagen seine Lebensgeister aus.

Als alle Rechnungen bezahlt waren, blieb für diesen Sommer kein Geld mehr für ein Motorrad übrig.

Frustriert erzählte er das dem Neffen, als dieser mit ihm bei einer Fastfoodkette reinguckte und sie zusammen dort ein Menü assen. Und dort kriegte Martin, obwohl schon ein grosser Junge, einen Gru. Mit Motorrad. In einer Art Raketenbox. Alles aus billigem Plastik, das dann später, aufgelöst in Nanopartikel, die Ozeane zerstören würde. Zog man an einem Hebelchen, kamen Gru und Motorrad wie der Blitz heraus und rasten extrem langsam gerade mal knappe fünf Zentimeter weit über den Küchentisch. Wahnsinn!

Dieses bekloppte Spielzeug brachte Martin also vorgestern der Eva heim.

Für die Enkel. Stolz und begeistert demonstrierte er ihr die dämliche Funktion.

Eva aber fand das Ganze doof. Ausserdem meinte sie, die süssen Rangen hätten schon genug Ramsch im Kinderzimmer stehen und so wollte sie den Gru samt Zubehör in den Müll werfen, erzählte sie mir.

Martin aber protestierte lautstark, und darum stellte sie einer plötzlichen Eingebung folgend den Gru dekorativ aufs Bücherregal, um nicht den dritten Weltkrieg auszulösen.

Zum verdutzten Ehemann sagte Eva: «Cool. Jetzt hast ja dein Motorrad endlich!»

 

Nachtrag:

Zwei Tage später kam das Enkelkind zu Besuch. Es griff mit leuchtenden Augen nach dem Gru und wollte mit ihm spielen.

Eva nahm es ihm ungerührt weg und stellte es wieder hin: “Das gehört Opa!”

Mit grossen Augen sagte das Kind ganz perplex: “Ist Opa nicht v i e l zu alt für so was?”

 

 

 

 

 

 

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